Deutschlands Abstieg in die „digitale Unterwelt“

Für die deutsche Verwaltung und die landesweite Digitalisierung gleicht die Zusammenarbeit mit großen amerikanischen Tech-Konzernen einem Pakt mit der Unterwelt. Der Staat und seine Bürger sind quasi den Entscheidungen börsennotierter internationaler Unternehmen ausgeliefert.

Man muss nicht mehr im Konjunktiv sprechen: Das Land ist bereits an diese Konzerne gebunden. So betreibt das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) zahlreiche Rechenzentren mithilfe der Virtualisierungslösung VMware. Der Umfang dieser Rahmenverträge beträgt über 600 Millionen Euro. 2023 verstärkte die Bundesregierung diese Abhängigkeit noch, indem sie vier Milliarden Euro in die Oracle-Cloud für die Verwaltung investierte.

Dieser Abstieg in die „digitale Unterwelt“ ist nicht nur einfach, sondern auch kostspielig. Wäre es nicht zumindest besser, wenn das Geld im Land bliebe, zum Beispiel bei einem nationalen Unternehmen wie SAP? Bundeskanzler Olaf Scholz berichtete jüngst mit Begeisterung von der Möglichkeit, die Cloud-Lösung von SAPs Tochter Delos als nationale Informationsplattform zu etablieren – laut ihm ein „entscheidender Moment für Deutschland“. Allerdings wird diese „souveräne“ Lösung im Kern wieder von Microsoft betrieben, angeblich mit besonders hohem Datenschutzstandard. Doch ob Microsoft den Code tatsächlich offenlegt, bleibt fraglich.

Nun, da man sich bereits in dieser Abhängigkeit befindet, ist der Blick nach oben – hin zu Unabhängigkeit, transparentem Quellcode und gut geschützten Persönlichkeitsrechten – ernüchternd: Der Aufstieg wird weitaus schwerer als der Abstieg. Das liegt einerseits daran, dass die amerikanischen Tech-Giganten in puncto Leistung schwer zu übertreffen sind, sodass ein Wechsel zunächst funktionelle Nachteile hätte. Andererseits ist der Weg aus der Abhängigkeit steinig.

Es gibt mittlerweile zwar Alternativen wie die quelloffene Office-Suite openDesk für Behörden und Unternehmen, die als Konkurrenz zu Microsoft 365 entwickelt wurde. Doch das Projekt, das dem Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) mit gerade mal neun Mitarbeitern übertragen wurde, hat bislang nur begrenzte Mittel – lediglich zehn Millionen Euro. Zum Vergleich: 2023 zahlte die Bundesregierung allein an Microsoft rund 197 Millionen Euro für Lizenzen. Ursprünglich sollten 50 Millionen Euro in offene Verwaltungssoftware fließen, doch nach der Haushaltskürzung ist dieses Budget erheblich geschrumpft. Damit wird das Versprechen der Ampelkoalition, digitale Souveränität zu erreichen, wohl nicht eingelöst werden können.

Auf der Cloud-Seite versucht der Berliner Hostinganbieter SysEleven, mit einer Behörden-Cloud Delos und SAP Konkurrenz zu machen, und die Bundesdruckerei zählt bereits zu den ersten Kunden. Solange die Bundesregierung jedoch weiterhin in Verträgen mit amerikanischen Anbietern festhängt, wird es schwer, eine wirklich unabhängige Behörden-Cloud zu etablieren.

Die Bundesregierung steht vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss nicht nur eigene Lösungen entwickeln, sondern auch bestehende Systeme aufgeben und die bereits begonnene, aber schleppende Digitalisierung der Verwaltung umstrukturieren. Der Prozess ist kleinteilig, intransparent und unterfinanziert – was bei den Nutzern sicher auf Widerstand und Frustration stoßen wird. Von Einheitlichkeit kann man kaum sprechen.